7. Kretische, bakcheische, Reizianische und jonische Verse

7.1 Kretische Verse

In der Grundform besteht ein Kretiker (= kretischer Fuss = kretisches Metrum) aus der Abfolge ‒ ⏑ ‒. Allerdings ist die Kürze manchmal auch durch eine Länge realisiert (‒ ⏒ ‒). Die Auflösung der Längen in Doppelkürzen ist selten und insbesondere auf Wörter wie ego, tibi und modo beschränkt. Kretische Verse werden in der altlateinischen Bühnendichtung ziemlich oft verwendet.

Die kretische Dipodie (1 ‒ ⏑ ‒, 2 ‒ ⏑ ×) ist nicht verbreitet. Das zweite und das fünfte Element erscheinen meist als Kürze, selten jedoch auch als Länge. Ein Beispiel wurde bereits in Kapitel 5.2.1 erwähnt. In Plaut. Amph. 245 ist eine kretische Dipodie mit einer trochäischen Dipodie verbunden (mit Angabe der Silbenquantitäten):

cūm clămōr(e) īnvŏlānt | īmpĕt(u) ălăcrī

Noch seltener sind kretische Tripodien mit dem Schema 1 ‒ ⏒ ‒, 2 ‒ ⏑ ‒, 3 ‒ ⏑ ×.

Am häufigsten ist der kretische Quaternar. Nach dem sechsten Element hat er gewöhnlich eine Mitteldiärese, vor der dann brevis in longo möglich ist:

1 ‒ ⏒ ‒, 2 ‒ ⏑ ×, ⁞ 3 ‒ ⏑ ‒, 4 ‒ ⏑ ×

 

PDF der folgenden Übung zum Herunterladen.

Als kurze Übung können Sie die Verse Plaut. Cas. 186-194 analysieren, zu denen es im „Schema metrorum“ der Oxford-Ausgabe von Lindsay 1904 „Cret. Tetram.“ heisst:

{CLEOST.} Pessumis me modis despicatur domi.

 

{MYRR.} Hem, quid est? dic idem (nam pol hau satis meo

 

corde accepi querellas tuas) opsecro.

 

{CLEOST.} Vir me habet pessumis despicatam modis,

 

nec mihi ius meum optinendi optio est. (190)

 

{MYRR.} Mira sunt, vera si praedicas, nam viri

 

ius suom ad mulieres optinere haud queunt.

 

{CLEOST.} Quin mihi ancillulam ingratiis postulat,

 

quae mea est, quae meo educta sumptu siet …

 

Bei den Lösungen zu Plaut. Cas. 186-194 habe ich den Druck von Leo 1895 verwendet. Er hat in seiner Ausgabe immer die erste Silbe der Kretiker gekennzeichnet. Für die Übung habe ich die Ikten entfernt.

 

 

Rückwärts

Vorwärts