7.3 Reizianische Verse
In der Übung von Kapitel 7.2 fand sich inmitten der Bakcheen der Vers 1124 mit der folgenden Verteilung von Längen und Kürzen:
āt pōl nĭtēnt, hāud sōrdĭdāe vĭdēntŭr āmbāe.
Dieser Vers wird nach dem ‚Entdecker‘, dem deutschen Philologen Friedrich Wolfgang Reiz (1733-1790), ‚Reizianischer Vers‘ oder versus Reizianus genannt:
1 × ‒, 2 × ‒, 3 × ‒, 4 ⏑ × | × ⏕ × ⏕ ×
Der Reizianische Vers besteht aus einem jambischen Quaternar (āt pōl nĭtēnt, hāud sōrdĭdāe) und einem so genannten ‚Reizianischen Kolon‘ bzw. colon Reizianum (vĭdēntŭr āmbāe) und hat eine Diärese dazwischen. Das Reizianische Kolon mit dem Schema × ⏕ × ⏕ × findet sich nicht nur im Reizianischen Vers, sondern kann auch mitten unter jambischen, anapästischen und bakcheischen Metren oder Kola auftauchen. Da es ziemlich frei gebaut ist und Ähnlichkeiten zu anderen Versstrukturen aufweist (z.B. zum bakcheischen Kolon, vgl. Kapitel 7.2), lässt es sich oftmals nur schwer erkennen bzw. kann teilweise auch anders interpretiert werden.
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Die Partie Plaut. Aul. 415-445 besteht durchgehend aus Reizianischen Versen. Analysieren Sie die Verse 415-422, wobei es sich sehr lohnt, an das Jambenkürzungsgesetz zu denken (vgl. Kapitel 2.8 unter [f]). Die vom Herausgeber F. Leo (1895) gesetzten Ikten wurden im Folgenden als Hilfe im Text gelassen:
{EVCLIO} Redi. quó fugis nunc? téne, tene. {CONG.} Quid, stólide, clamas?
Leo hat bei metrisch schwierigen Versen Ikten eingezeichnet, vgl. z. B. quó in 415 als Hinweis auf die Jambenkürzung in redi.
{EVCL.} Quia ad trís viros iam ego déferam nomén tuom. {C.} Quam ob rem?
{EVCL.} Quia cultrum habes. {CONG.} Cocum decet. {EVCL.} Quid comminatu’s
mihi? {CONG.} Istud male factum arbitror, quia nón latus fódi.
{EVCL.} Homo nullust te scelestior qui vivat hodie, (419)
neque quoi égo de industria ámplius male plús libens fáxim.
{CONG.} Pol etsí taceas, palam id quidem est: res ipsa testist;
ita fustibus sum mollior magis quam úllus cinaédus.
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