E-Learning: Einführung in die altgriechische Metrik

 


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5.3.4 Tragödie und Komödie

Im Kapitel zu Bakchylides und Pindar wurden bereits zwei Unterschiede der äolischen Lyrik in der Tragödie und der Komödie zur äolischen Lyrik in den Gedichten von Sappho und Alkaios genannt: Einerseits können Resolutionen und Kontraktionen auftreten; andererseits sind äolische Kola oft mit anderen Kola vermischt (insbesondere mit jambischen, jambisch-chorjambischen, daktylischen und auch mit anapästisch-jambischen).

Als weitere Besonderheit ist die bereits bei Pindar besprochene anaklastische Variante des Glyconeus zu nennen, welche von West mit gl¨ notiert wird: ○ ○ ‒ × '‒ ⏑' ⏑ ‒. Da Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff dieses Kolon entdeckte, wird es seit Paul Maas oft auch "wilamowitzianus" genannt und mit "wil" abgekürzt. Genau genommen ist diese Folge von Längen und Kürzen in der Form ‒ ⏑ ‒ ⏑ ‒ ⏑ ⏑ ‒ bereits bei Sappho in einer respondierenden Strophe als Äquivalent des Glyconeus belegt. Anakreon verwendet dann eine Variante in einer stichischen gl-Strophe: ‒ ‒ ‒ ⏑ ‒ ⏑ ⏑ ‒. Doch erst in der Tragödie, insbesondere bei Euripides, wird der wilamowitzianus zum verbreiteten äolischen Kolon. Eine weitere Bezeichnung für diese metrische Einheit lautet "chorjambischer Dimeter".

Bereits in Kapitel 1.5.3 wurde erwähnt, dass in der Chorlyrik eine Dreiteilung in Strophe, Antistrophe und Epode (nicht zu verwechseln mit dem Versmass der Epoden) verbreitet ist. Man denke an die Übung zu Pindar von der vorherigen Seite. Dieser triadische Bau kann folgendermassen notiert werden: a ||| a ||| b ||| ... (a=Strophe und Antistrophe; b=Epode; |||=Strophenende). Im Drama hingegen ist es eher üblich, dass sich paarweise respondierende Strophen folgen, welche durch ein nicht respondierendes Stück, ein Astrophon, abgeschlossen werden können: a ||| a ||| b ||| b ||| … (n |||).

 

Vorschlag für eine Übung

Unter dem Einfluss des jüngeren Dithyrambos (Chorlied zu Ehren des Dionysos), der sich ab der Mitte des 5. Jh.s ausbreitete, wurden Astropha beliebter, und die grossen Schauspieler-Arien entstanden. In den Fröschen des Aristophanes (405 erstmals aufgeführt) treten Aischylos, der nota bene vor dieser Entwicklung gestorben ist (456/455), und Euripides, der diese Entwicklung massgeblich geprägt hat (406 gestorben), in einem Dichterwettstreit in der Unterwelt gegeneinander an. Der eben erst verstorbene Euripides verlangt in der Komödie , auf dem Dichterthron Platz zu nehmen, den Aischylos aber weiterhin für sich beansprucht. In den Versen 1309-1328 parodiert Aischylos die euripideischen Chorlieder, indem er nach dessen Art astrophische Lieder in chorjambischen Dimetern (=wilamowitziani) und äolischen Kola vorträgt. Das subtile Spiel mit der Metrik zeigt das Feingefühl der Dramendichter und zumindest eines Teils der damaligen Rezipienten.

Lesen Sie als Übung zu diesem Kapitel die Erklärungen und die metrische Analyse der Passage in Zimmermanns "Untersuchungen zur Form und dramatischen Technik der Aristophanischen Komödien" (PDF von Zimmermann 1985, 31-35).

In seiner Interpretation folgt Zimmermann der Grundhaltung, bei der Metrik immer auch nach ihrem Sinn und ihrer Funktion zu suchen (so Zimmermann 1984, 2).

 

Literatur zur äolischen Lyrik, Tragödie und Komödie: West 1982, 115-120; Snell 41982, 37.57-63; Sicking 1993, 196-207; Kannicht 1997, 362; Utzinger 2007, 25f.; Bär 2009, 72. Ich bedanke mich bei Prof. Bernhard Zimmermann (Freiburg i. B.) für die Erlaubnis, die oben erwähnten Seiten 31-35 aus seinem Buch "Untersuchungen zur Form und dramatischen Technik der Aristophanischen Komödien" (1985) zum Download zur Verfügung stellen zu dürfen.

 

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